Abagund,
Romin und die Folgen
Gerilian von Torrem im Gespräch
mit dem
Baron von Veliris
(Bosparanisches Blatt Numero 21, EFF 2516
Horas)
Diesmal hatte es mich gen Unterfels gezogen, um
genauer zu sein, in die Nähe von Unterfels, denn etwas abseits der
Residenzstadt und der Reichsstraße liegt die große Schloßanlage
der Freien Herren von Veliris. Baron Ariano war einer der wenige Horasier,
der selbst auf dem turbulenten Baihîr zu Abagund in Albernia zugegen
war. Gegen den Willen Königin Invers und ihres Gemahls wurden dort
Entscheidungen von weitreichender Bedeutung getroffen, die weit über
die Landesgrenzen Albernias hinauswirken dürften. Wobei die Wahl eines
neuen Grafen von Bredenhag dabei noch von geringster Bedeutung sein dürfte.
Die Rolle des Barons ist dabei deswegen so brisant,
weil er noch im letzten Jahr der offizielle Leiter der von Amene-Horas
gen Cumrath gesandten Delegation war, in diesem Jahr aber eine persönliche
Einladung Königin Invers erhalten hatte und neben der offiziellen
Delegation unter Staats-Marschall Folnor Sirensteen von Irendor als Privatmann
gen Albernia reiste.
Der Herr des Velirial, wie das prächtige
Schloß mit seiner weitläufigen Parkanlage genannt wird, empfing
mich in seinem großen Kabinett. Der großen Saal war mit schwarzen
und weißen Marmorplatten ausgelegt. Eine vielfach geschwungene Gewölbedecke,
die über und über mit Pflanzenbildern bemalt war, dominierend
natürlich die Lilie derer von Veliris, wölbte sich über
meinem Kopf. Der Baron hatte mich zuvor ein wenig herumgeführt, da
ich heute zum ersten Mal in diesem Schloß des Hauses Veliris war.
Bislang kannte ich nur die Stadtresidenz zu Altbomed. Der Baron machte
mich auf den schönen Schreibtisch aufmerksam.
„Dieser Tisch stammt aus der Zeit König
Barjeds und soll dereinst im Vinsalter Schloß gestanden haben", der
Baron umrundete den riesigen vergoldeten Tisch, dessen Beine Adlerstelzen
nachempfunden waren und setzte sich auf den riesigen Ledersessel.
„Auch aus dem Vinsalter Schloß?"
„Nein!", erwiderte Baron Ariano, „seht doch die
Lilie hier auf der Spitze der Lehne, der kommt aus Veliris. Baron Caelon,
der Talerbaron, hat ihn für sich anfertigen lassen."
„Der Talerbaron?"
„Unermeßlich, heißt es", Ariano strich
über das glänzende Leder, „aber seinen Beinamen hat er von der
Bevölkerung bekommen, weil er als Obermünzmeister Grangorias,
heute liegt das Amt beim Baron von Tikalen wie ihr wißt, die Silbertaler
Grangorias hat prägen lassen. Allerdings bestanden seine Taler nicht
aus lauterem Silber." Der Baron machte eine Pause und wartete.
„Sondern?", fragte ich auffällig interessiert.
„Sondern", nahm der Baron seine Erzählung
wieder auf, „aus einer minderwertigen Legierung. Daher war er so reich!
Als der Herzog das später bemerkte, die Münzen waren im ganzen
Land verrufen, entzog er dem Haus Veliris das Münzprivileg. Aber das
nur so am Rande. Euch interessiert doch sicherlich nicht die Geschichte
des Hauses Veliris."
„Zwar schon", versuchte ich auszuweichen, „aber
nicht heute."
Der Baron lächelte nur.
„Baron Ariano, ihr seid einer der wenigen Adligen
dieses Reiches, der bereits Dienste für die Krone wahrgenommen hat
und dem gleichzeitig nachgesagt wird, ein Anhänger des Kusliker Fürstengeschlechtes
zu sein."
„Wenn Ihr das sagt."
„Aber man sagt sich auch, daß Euer Verhältnis
zu Kaiserin Amene weit weniger gespannt ist, als man das gemeinhin glauben
sollte."
„Wer im Norden Vinsalts wohnt und sich nicht
mit dem Kaiserhaus arrangiert, müßte ein vermessener Tor sein.
Aber um gar nicht lange herumzureden. Es ist ja bekannt, daß das
Haus Veliris dereinst gute Kontakte zum Haus Galahan unterhielt, meine
Kinder sind zeitweilig am Hofe Fürstin Kusminas aufgewachsen..."
„Es heißt Eure jüngste Tochter schwärme
seit frühesten Kindertagen für den Prinz und sie hätte ihn
vor Kuslik nur deswegen nicht unterstützen können, weil ihr sie
hier im Velirial eingesperrt hattet."
„Meine Tochter ist mit dem Bruder der Baronin
von Efferdas verheiratet", reagierte der Baron ausgesprochen kühl,
so daß ich lieber schnell den Gegenstand des Gespräches wechselte,
denn der Baron ist für seine Temperamentsausbrüche berüchtigt.
„Ihr seid nun schon seit einigen Wochen aus Abagund
zurückgekehrt, über den Grund Eurer Reise und die tatsächlichen
Vorkommnisse kursieren aber schon seit Tagen die wildesten Gerüchte
durch die Kusliker und Vinsalter Salons. Erklärt uns doch bitte zunächst
einmal, was dieser sogenannte Baihîr ist."
„Seht Gerilian, dieser Rat stammt noch aus den
Gründungstagen Havenas, als eine Versammlung der Kapitäne die
Geschicke der Stadt lenkte. Auf diesen großen Baihîrs hatte
dann ein jeder „dem Albernia am Herzen liegt" eine Stimme."
„So konntet Ihr also auch bei der Grafenwahl
mitstimmen?"
„Mir lag Albernia schon immer am Herzen", lächelte
der Baron schelmisch, „Principe Folnor hat im übrigen auch mitgestimmt."
„Wie bitte?" Das verschlug mir fast die Sprache.
Bislang war nicht viel über diesen Baihîr bekannt geworden.
„Wir waren in Albernia, Ihr dürft das alles
nicht so eng sehen. Das sind eben die barbarischen Traditionen dieses Landes.
Viel interessanter ist da schon, für wen Folnor stimmte."
„Und?"
„Für diesen grausamen Crumolder."
„Für wen?"
„Oh verzeiht, ich vergaß. Vogt Jast Irian
von Crumold, ein Feind der Bennains, der sich nicht scheut einen Aufstand
in Blut zu ersticken. Eher unbedeutend aus horasischer Sicht, wäre
er nicht eine Mirhamionette Fürstin Isoras, die somit wieder einen
Fuß in Albernias Tür hat."
„Der Staats-Marschall hat also für Isora
gestimmt?"
„So kann man es sagen, wenngleich mich das nicht
überrascht hat, ist die Fürstin doch von unserer Kaiserin entsandt
worden die Unterwerfung Romins zu fordern." Der Baron sah mich erwartungsvoll
an, aber das Isora von Elenvina die letzten zehn Jahre im Vinsalter Exil
gelebt hatte, war im Horasreich kein Geheimnis, so daß mir die Verbindung
durchaus bewußt war. Um dem Baron aber einen Gefallen zu tun, spielte
ich den Unwissenden.
„Fürstin Isora?" Der Baron war zufrieden.
„Genau die. Zehn Jahre lang lebte sie im Kaiserlichen
Palast zu Vinsalt und wir alle wissen zu genau, wie ähnlich sich die
beiden Frauen sind. Eine Achse Vinsalt-Elenvina-Havena ist weit mehr als
reine Fiktion. Jetzt wo Isora wieder zu Macht und Einfluß gelangt,
wächst auch das Gewicht Amenes."
„Und das gefällt Euch", fragte ich rhetorisch.
Der Baron spielte mit einer Schreibfeder und
ließ sich mit seiner Antwort Zeit. „Wenn sie damit den Einfluß
des Alten Reiches mehrt und die Kräfte ihres Hauses über den
Kontinent aufteilt", zuckte er schließlich mit den Schultern, „dann
soll es mir recht sein. Was mir aber nicht recht war, war das Vorbringen
Isoras."
„Wieso?"
„Sie forderte Prinz Romin auf sämtliche
Ansprüche auf die Güter seiner Familie aufzugeben und die Kaiserin
werde dann im Gegenzug alle Anschuldigungen ob seiner Taten fallen und
ihn heimkehren lassen..."
„...was der Prinz natürlich ablehnte?"
„Natürlich, aber damit hatte die Kaiserin
ja gerechnet, denn dann ließ sie den Frieden von Weidleth einklagen,
den er gebrochen habe. Daraufhin konterte der Prinz gekonnt, daß
er diesem Frieden nicht unterliege, da er zur Zeit keines Königs Eid
geschworen hätte und somit für ihn Verträge dieser Art nicht
bindend seien."
„Worüber sich aber doch wohl streiten ließe?"
„Schon recht, Esquirio von Torrem, aber das war
gar nicht der Garadanzug unserer Kaiserin. Mit der nur ihr eigenen Grausamkeit,
Härte und man muß es neidlos zugestehen, Schläue, ließ
sie durch Isora dann den Frieden von Weidleth gegenüber des Prinzen
albernische Gefolgsleute einklagen, die ja weißpraios unter das Vertragswerk
fallen. Und sind wir ehrlich, ein derartiger Frevel muß natürlich
mit dem Leben bezahlt werden."
„Die Kaiserin forderte also die Rechte Romins
gegen das Leben seiner Gefolgsleute?"
„Welch’ verzwickte Entscheidung nicht wahr?"
„Und wie kam der Prinz, bei allen Göttern
aus diesem Maraskenrad heraus?"
„Die Baronin von Hohelucht, zuvor selbst eine
der Kandidatinnen um das Grafenamt und ranghöchste Unterstützerin
Romins, die mit ihm vor Kuslik kämpfte, bat sich an, an seiner Statt
das Urteil anzunehmen. Was Isora, um die Gewissensqualen des Prinzen weiter
zu belasten auch annahm."
Ich konnte mir ein leises Lächeln nur schwer
verkneifen, wenngleich mich das Schicksal der tapferen Frau durchaus berührte.
„Was grinst Ihr da so dummdreist", fuhr mich
der Baron auch sodann an.
„Alleine durch das heldenhafte Opfer einer Albernierin
konnte die endgültige Niederlage des Hauses Galahan abgewendet werden,
während die Galahanisten des Alten Reiches auf ihren Landschlössern
saßen und zusehen mußten, wie eine Übermutaktion des Prinzen
beinahe alles gefährdet..." Das Gesicht des Barons versteinerte sich
immer mehr. Mir kam da gerade ein Gedanke.
„Baron Ariano, für wen habt Ihr eigentlich
auf dem Baihîr abgestimmt?"
„Nicht für die Hoheluchterin", antwortete
er kühl.
„Aber doch bestimmt nicht für den Kandidaten
des Prinzen, oder?"
„Der Prinz hatte gar keinen Kandidaten!"
„Also für wen?"
Der Baron zögerte.
„Laßt mich raten..."
„Bevor Ihr Euch zu sehr überanstrengt",
reagierte der Baron sichtlich ertappt, „will ich Euch lieber gleich antworten.
Ich stimmte für Ritter Firuslaus von Joborn-Eichengrund."
„Ha! Für einen Hussbeker!"
„Für einen Andergaster", versuchte der Baron
nur noch schwach abzulenken.
„Der Rat der noch verbliebenen Galahans im Alten
Reich hat Euch gen Abagund gesandt, um dem Prinzen den Kopf zu waschen.
Mit seiner heißspornigen Aktion Kuslik im Handstreich nehmen zu wollen,
ohne die alten Gefolgsleute zuvor benachrichtigt zu haben, hat er die gemeinsame
Sache in Gefahr gebracht. Schließlich geht es ja nicht nur darum,
daß der Prinz Kuslik zurückerhält. Es geht schließlich
um die Krone."
„Ihr denkt wie ein Galahanist", bestätigte
mich der Baron unbewußt.
„Also habt Ihr ihm klargemacht, daß er
noch immer von den Geldmitteln aus dem Alten Reich abhängig ist. Er
wollte Euch aber wohl nicht so recht zuhören, so daß Ihr dann
vor allen Augen und insbesondere vor seinen Augen, dann für den Hussbeker
abgestimmt habt. Der alte Efferdan von Hussbek ist ohnehin gerade dabei
die Trümmer der Galahans aufzusammeln, seit seine Familie zu den Königsgeschlechtern
des Reiches gehört."
„König von Andergast", sagte Baron Ariano
verächtlich.
„Ihr wißt nur zu genau, was das bedeutet.
Alleine die Königshäuser haben in der Tradition des Lieblichen
Feldes einen Führungsanspruch über die anderen Familien. Sei
es nun der König von Andergast, oder ein König von Drôl."
„Nun ja", zuckte der Baron resignierend mit den
Schultern, „wenn dieser Pantoffelheld nicht endlich beginnt seine Schritte
zu überdenken, steht er eines Tages alleine in Havena. Und wieviel
der albernischen Königin ein landloser Prinz ohne Unterstützung
ist, mag ich nicht vorherzusehen. Aber immerhin hat die Kaiserin einen
kleinen Fehler begangen."
„Wieso?"
„Sie forderte den Prinzen auf seine Rechte aufzugeben!"
„Und?"
„Darüber dürft Ihr auf Eurer Heimreise
in aller Ruhe nachdenken. Ich habe heute ohnehin schon zu viel gesagt."
Sprachs und ließ mich mit meinen Fragen alleine. Eine Situation,
die mir wohlbekannt war. Ob es an mir liegt...?
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Die
Schlacht auf den Schwarzen Marschen
Zweiter Teil
VON TARIN SALQUIRIO VON SALICUM-SELZIN
(Bosparanisches Blatt Numero 17, BOR 2514
Horas)
Vor wenigen Monden erfuhren wir aus der Hand des
Comto Schatz-Canzlers von dem Aufeinandertreffen der Heere des Prinzen
Ralman von Firdayon-Bethana, Erbprinz Horasias, und Baron Arianos von Treuffenau-Veliris,
dem selbsternannten Regenten von Shumir. Der schwelende Konflikt um den
Herrscherstuhl der reichen Baronie Shumir hatte sich in den Tagen des INGerimm
immer weiter zugespitzt und fand schließlich seinen vorläufigen
Höhepunkt in der Schlacht auf den Schwarzen Marschen von Shumir. Von
eben dort berichtet Comto Tarin von Salicum-Selzin über den Fortgang
der Geschehnisse.
„[...] Geradewegs schien der Ausgang der Schlacht
für den Baron aus Veliris zu einem Fiasko zu werden, galt einer seiner
Heerführer, zugleich Schwiegersohn des Barons, als gefallen und die
eigenen Truppen ob dieser Nachricht demoralisiert. Doch noch bevor dieser
Schock den Velirischen Truppen in die Glieder fahren konnte, um sich schwer
wie Blei in ihnen festzusetzen, da tönte die Trompete des Clamethers
über das Feld. Ulim Marciero selbst führte zwar die Kompanie
schwerer Reiter nicht an - der Gransignor weilte wohl noch immer im fernen
Weiden - aber dennoch verhalfen die Reiter unter Carinja Rodensen-Mersingen
die Lage für Baron Ariano fürs erste zu retten.
Ich selbst befand mich zu diesem Zeitpunkt noch
immer auf dem Feldherrenhügel des Barons und hatte einen guten Überblick
auf das unter mir liegende Schlachtfeld. Als unliebsamer Gast war ich zwar
zunächst aus dem direkten Umkreis des Barons verbannt worden, konnte
mich aber in der allgemeinen Aufregung um den Tod des Connetabels ganz
in die Nähe der kommandierenden Adligen begeben.
Natürlich hat man sich den militärischen
Konflikt zwischen Baron Ariano und Prinz Ralman nicht wie eine der großen
Schlachten der Geschichte vorzustellen, an denen Tausende von Soldaten
beteiligt waren, aber alleine der Ehrgeiz der Lokaladligen war es, eine
Schlacht mit gerade einmal etwas mehr als 1000 Kämpfenden wie eine
Partie auf einem Spielfeld aufzubauen. So versuchte der Gonfaloniere des
Barons immer wieder einen Zangenangriff gegen die Truppen des Prinzen zu
führen, den diese jedoch mit kleineren Ausfällen an den Flanken
schnell zum Erliegen bringen konnten.
Besonders ungeordnet kämpften jedoch die
bewaffneten Bürger aus Shumir. Zuweilen erschien es mir, daß
sie eher der Schlachtordnung des Barons entgegenwirkten, als das sie seinem
Heer Stärke verliehen. Anscheinend ohne Kommandanten warfen sich die
Bürger immer wieder ins Getümmel, ohne auch nur im mindesten
auf ein kleines bißchen Taktik zu achten. So war es auch kaum verwunderlich,
daß viele von ihnen unter dem Pfeilhagel der Pertakiser Bogner fielen.
Der Baron tobte vor Wut und befahl diverse Male
die Bürger endlich von seinem Schlachtfeld holen, was aber kaum gelingen
konnte, waren sie doch überall und nirgends.
So entschloß sich Baron Ariano den Kampf
zunächst zu unterbrechen und die Truppen neu sammeln zu lassen. Das
entsprechende Hornsignal erscholl über den Schwarzen Marschen und
die Heerführer sammelten ihre Einheiten zum Rückzug.
Ein Nachsetzen der Kavallerie unter Signor Rendariell
de Millenis konnte durch die Bogner aus Veliris und den wenigen Feldgeschützen
verhindert werden, die ohne viel Mühe vom Hügelkamm aus die Reiter
stoppten.
So kam es, daß man zur Mittagszeit, eiligst
wurden Boten hin und her getauscht, die Schlacht zunächst unterbrach.
Der einstige Vorteil des Barons aus Veliris war vorübergegangen. Seine
ansonsten ausgeglichene Laune ebenfalls.
Während die Toten und Verwundeten vom Schlachtfeld
geholt wurden rief der Baron seine Heerführer zusammen.
Ich selbst hatte mich einfach Signor Romualdo
ya Cantarra angeschlossen und konnte so der Lagebesprechnung beiwohnen.
Baron Ariano schien ohnehin andere Sorgen zu haben, als mich von der Sitzung
auszuschließen.
So stand ich dann zusammen mit Tarim Ciras von
Veliris-Carinto, dem Gonfaloniere von Veliris, Baronet Ariano Sal, dem
jüngsten Sohn des Barons, Signor Leomar von Tokram und Carinja Rodensen-Mersingen,
Capitanya in Diensten Gransignor Ulim Marcieros, Esquirio Ralhion Trebesco,
Capitanwachtmeister der Grangorer Garde, sowie einigen weiteren Boten und
Adjutanten um einen Tisch herum, auf dem eine Karte der Region ausgebreitet
war.
Der Baron übertrug seinem Sohn die Führung
der verblieben Shumirer Bürger, mit der Auflage sie nur an den Flanken
angreifen zu lassen, auf daß sie nur nicht wieder die Attacken der
Ritter behinderten. Signor Romualdo wies darauf hin, daß das Wetter
zunehmend umschlüge und bei einsetzendem Regen der Boden des Schlachtfeldes
für die schweren Reiter zur tückischen Falle werden könnte.
Baron Ariano quittierte dies mit der Frage, warum er denn überhaupt
auf seine Ritter gesetzt habe, wo doch erst eine Meute aufgescheuchter
Pfeffersäcke und dann der Herr EFFerd seine schlagkräftigste
Einheit außer Gefecht setze.
Auch galt es den Esquirio Ralhion Trebesco davon
zu überzeugen, ohne seinen Herrn den Connetabel von Grangoria weiterzukämpfen,
was nach einem Wortwechsel unter vier Augen gelang.
Ansonsten konnte Gonfaloniere Tarim Ciras vermelden,
daß es bislang vergleichsweise wenig Gefallene gegeben habe, in erster
Linie die Bürger der Stadt Shumir - das hätten sie sich aber
schließlich selbst zuzuschreiben, bemerkte der Gonfaloniere nicht
ohne Grimm. Unter den Gefallenen sei der Leichnam Horasios jedoch nicht
gefunden worden. Vielleicht hätten ihn die Pertakiser als Trophäe
eingesammelt.
Das würde aber gegen jegliche Konventionen
der Rondrakirche verstoßen, warf ich daraufhin ein und vermutete,
daß der Connetabel von Grangoria vielleicht noch am Leben sei. Diesen
Einwand hätte ich lieber unterlassen, beglückwünschte mich
der Baron zu meiner Unverfrorenheit und ließ mich durch zwei eilig
herbeigerufene Wachen aus dem Zelt hinausbegleiten. Alter schütze
anscheinend auch vor Torheit nicht, hörte ich jemanden mir nachrufen.
Welch Unverschämtheit und allein der Umstand, daß ich nicht
wußte, wer es gerufen hatte und sich in meiner Begleitung zwei Soldaten
in den Farben Veliris befanden, verhinderten meine Satisfaktionsforderung.
Noch nie hatte sich jemand über mein Alter beschwert.
Draußen angekommen, schien sich die Vermutung
Signor Romualdos zu bewahrheiten im Osten braute sich kein gutes Wetter
zusammen. Und in diesen Tagen war man schon froh, wenn es nur die Göttin
RONdra war, die hier die Trommeln schlug. Viel Zeit würde dem Baron
nicht mehr bleiben seine Ritter einzusetzen. Das schien dieser auch bemerkt
zu haben und verließ kurz nach mir, zusammen mit seinen Heerführern
das Feldherrenzelt. Letzte Vorbereitungen wurden getroffen und am späten
Nachmittag erschollen erneut die Posaunen über das Schlachtfeld. Beide
Heere standen sich zum zweiten Male an diesem Tage gegenüber.
Der Baron gab das Zeichen zum Angriff und die
Veliriser Bogner schossen mehrere Salven in die feindlichen Stellungen.
Aber nur wenige fanden ihr Ziel. Die meisten steckten in provisorischen
Schilden, die der Prinz wohl in der mittäglichen Pause hatte schnell
anfertigen lassen. Alleine die Feldgeschütze rissen Lücken in
die Stellungen der Pertakiser. Daraufhin setzte der Prinz seine Truppen
in Bewegung. Und etwa zur siebten Stunde der zweiten Tageshälfte trafen
die Heere erneut aufeinander.
Hin und her wogten die Schlachtreihen und keiner
Seite schien der entscheidende Durchbruch zu gelingen. Doch die Zeit drängte,
denn das Wetter verschlechterte sich zusehends. Trotz der Jahreszeit begann
es allmählich düsterer zu werden und die Worte Signor Romualdos
noch im Ohr, spürte ich bereits die ersten Tropfen fallen.
Die Schlacht nahm nun an Heftigkeit zu und die
Ordnung der Reihen ging bei beiden Seiten zusehends verloren. Die dunkle
Wolkenwand schob sich nun immer schneller von Osten her kommend über
die Marschen und zur zweiten Tsastunde ging dann ein wahrer Sturzbach vom
Himmel hernieder. Begleitet von dumpfen Donnergrollen lösten sich
die Ritter aus dem Gefecht und verließen das Schlachtfeld.
Signor Romualdo galoppierte auf den Hügel
zu und forderte den Baron zum Rückzug auch der noch verbliebenen Truppen
auf. Zudem werde Capitanwachtmeister Ralhion Trebesco seine Garde auch
nicht mehr lange auf dem Schlachtfeld halten. Die Schlacht sei verloren,
waren die letzten Worte des Signors, die ich hören konnte, bis eine
heftige Windböhe den Ritter dazu zwang sein Pferd ins Gleichgewicht
zu bringen.
Der Baron Ariano schien die Lage aber trotz Verbitterung
richtig einzuschätzen, gab er doch seinen Trompetern das Signal zum
Rückzug.
Während ich die Feldgeschütze des Barons
brennen sah und sich die Einheiten zur Flucht wandten, ließ sich
Ariano von Treuffenau-Veliris seinen prächtigen Fuchs geben und ritt
auf mich zu.
Ob ich denn nun auch mit in die Stadt Shumir
kommen wollte, er könnte für eine längere Zeit eine erheiternde
Unterhaltung brauchen, fragte er mich. In der Stunde der Niederlage noch
fähig zu einem Scherz.
Um die nun zwangsläufig folgende Belagerung
wissend, bedankte ich mich artig für die Einladung mit der Bemerkung,
es gälte den zweiten Teil des Schlachtberichtes schleunigst zu veröffentlichen.
Was der Baron mit einem gequälten Lächeln quittierte. Dann ritt
er davon.
Ich verweilte noch einige Zeit im sturmumtosten
zurückgelassenem Feldherrenzelt des Barons und beobachtete die sich
zurückziehenden Truppen der Veliriser. Ein Glück wenigstens,
daß auch die Kerntruppe des Prinzen, eine vortrefflich ausgerüstete
Ritterschar, unter dem morastigen Boden litt und so den fliehenden Truppen
des Barons nicht nachsetzen konnte.
Doch insgesamt war das nicht der Tag des Barons,
erst die Nachricht von dem gefallenen Schwiegersohn, dessen Schicksal bislang
noch immer ungeklärt ist, dann die Vereitlung der Strategiepläne
durch die eigenen Truppen und nun das wenig ruhmreiche Ende in Dreck und
Schlamm, hervorgerufen durch ein plötzliches Gewitter.
Doch wer hätte zu Beginn dieses strahlenden
Tages ahnen können, daß im fernen Osten ein anderer ehemaliger
Liebfelder eine noch herbere Niederlage erleiden würde.
Die Schlacht auf den Schwarzen Marschen von Shumir
fand am 23. ING des Jahres 2513 Horas statt, dem Tag, an dem Borbarad den
vereinten Heeren des Kontinents unterlag.
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Die
Schlacht auf den Schwarzen Marschen von Shumir
von
Tarin Salquirio von Salicum-Selzin
(Bosparanisches Blatt Numero 16, RAH 2513
Horas)
In letzter Sekunde erreichte uns eine Depesche
des Comto Schatz-Canzlers, die uns veranlaßte noch einmal die gesamte
Titelseite abzuändern. In seiner bekannten Art, berichtet Seine Edelhochgeboren
über die sich überschlagenden Ereignisse in Shumir. Hier sein
Rapport.
„Nach mehreren Monden ungewisser Lage und Zuspitzung
der Ereignisse in und um Shumir hat sich nun die Spannung in einem starken
Donnerschlag entladen. Hatten zahlreiche Beobachter noch an eine friedliche
Beilegung der Shumir-Krise - wie sie landein und flußab in Kusliker
Salons und Vinsalter Tavernen genannt wird - geglaubt, so zerplatzte diese
Hoffnung, wie eine Tonkugel Hylaîler Feuer.
Die Heere Baron Arianos von Treuffenau-Veliris
und Prinz Ralmans von Firdayon-Bethana trafen heute in den Morgenstunden
aufeinander. Und ebenso rasch, wie das Feuer sich entzündet hat, breitet
sich die Flamme nun zu einem Flächenbrand aus.
Doch rufen wir uns zunächst die Ereignisse
der letzten Tage in Erinnerung.
Wie erstaunt waren wir doch noch, als die Stadt
Shumir den Treueid auf den Baron leistete und somit eine Vorentscheidung
gefallen zu sein schien. Doch zu eben diesem Zeitpunkt trat der Erbprinz
von Horasia mit einer stattlichen Anzahl Soldaten in Pertakis auf der Bildfläche
auf. Er vereinigte seine Banner mit denen der Edlen Endor Doren von Shenilo-Felsfelden
und Rendariell ya Grendol de Millenis und hatte nun eine dem Baron ebenbürtige
Streitmacht gesammelt.
Zwar wäre der Prinz lieber mit eindeutigeren
Verhältnissen losgezogen, doch sehr zu seinem Verdruß verweigerte
ihm der Cronrat eine Unterstützung durch Einheiten der Cron-Legion.
Doch auch so verfügte die Horasia-Pertakis-Allianz über eine
Armee von über 400 schlagkräftigen Soldaten, die sich aus 100
herzöglichen Schwertschwingern, 2 Bannern Hylaîler Söldlingen,
2 Bannern Elitereitern aus Pertakis, einem Schwadron Sheniloer Drachenreiter,
etwa 30 Arinker Bogner und noch einmal eben so vielen Rittern der eigenen
Garde des Prinzen zusammensetzten.
Ich selbst befand mich in Sewamund, als ich vom
Aufbruch des Prinzen gen Shumir hörte. Zusammen mit Baronin Elanor
von Efferdas diskutierte ich die Lage in Shumir bei einem Glas schwerem
Veliriser Rotwein, den die Baronin von Baron Ariano geschenkt bekommen
hatte. Was sie aber keineswegs zu einer Parteigängerin des Barons
mache, wie sie mir versicherte.
Gemeinsam verglichen wir die Forderungen beider
Seiten, die sie der Baronin Elanor per Boten hatten zukommen lassen, da
diese sich als Vermittlerin empfohlen hatte. So unüberwindlich schien
uns die Lage nicht, als uns der Aufmarsch Prinz Ralmans von einem Reiter
meiner Schatzgarde mitgeteilt wurde.
Eigentlich wollte ich zu diesem Zeitpunkt noch
meinen alten Freund den Comto Seneschall in Kenntnis setzen, aber es galt
keine Zeit mehr zu verlieren und so begab ich mich unverzüglich mit
Baronin Elanor zu nachtspäter Stunde auf nach Shumir. Begleitet von
einer Companie der herrschaftlichen Garde. Man wußte ja nie, was
kommen könnte, wie mir die Baronin mit einem Lächeln versicherte.
Kurz bevor wir die Stadt Shumir erreichten, trafen
wir auf einen Trupp schwerer Reiter, die von seiner Wohlgeboren Vascal
ya Berîsac de Mantrash selbst angeführt wurde. Nach einer förmlichen
Begrüßung erklärte uns der Signor, daß er mit seinen
Dragonern über verschlungene Pfade durch Veliris auf dem Weg zu Prinz
Ralmans Streitmacht sei, um diese zu verstärken. Nachdem sich sein
Erzfeind Horasio della Pena mitsamt vier Bannern der Grangorer Garde nun
offen auf die Seite Baron Arianos gestellt hätte, bliebe ihm keine
Wahl, dieses schreiende Unrecht wenigstens etwas auszugleichen. Mit diesen
Worten gab er seinem Schlachtross die Sporen und preschte an uns vorüber.
Vier Banner also hatte Connetabel Horasio, der
Signor von Kullbach-Marvinko, auf die Waagschale geworfen. Somit verfügte
der Baron mit seinen 100 Söldlingen, den 2 Bannern der Baronie, den
50 Bognern aus Veliris und den 20 Rittern unter Signor Romualdo ya Cantarra
über beinahe 500 Soldaten. Beide Heere waren sich folglich, zählt
man die Mantrasher noch hinzu, beinahe ebenbürtig.
Doch gab es noch zahlreiche Unbekannte in dieser
Rechnung - eine Wendung, die ich von einem Grangorer Mathematicus entlehnt
habe - so zum Beispiel die Ritter aus Clameth, oder die Einheiten
des Signors von Perainidâl. Und was war mit den Truppen der anderen
Pertakiser Signorsfamilien, oder dem Banner des Barons Ralhion von Aralzin
und Selzin. Selbst einem so nahen Verwandten, wie mir, wollte er bei meinem
letzten Besuch keine genaueren Angaben machen. Es war aber kein Geheimnis,
daß er eher die Seite Baron Arianos favorisierte, als ausgerechnet
den Prinzen aus Horasia zu unterstützen. Zudem war da noch das Schwadron
meiner reizenden Begleiterin, die auffällig schweigsam neben mir in
der Kutsche saß.
Ich wurde jäh aus diesen Gedanken gerissen,
als weit vor uns im noch dunklen Morgengrauen ein heller Schein über
den Himmel zog. Das war das Zeichen zum Angriff. Eine der beiden Seiten
hatte die Schlacht um Shumir eröffnet.
Wenig später erreichten wir die Stadt Shumir
selbst. Hier war man erwartungsgemäß in heller Aufregung, wurde
doch schließlich auch um das Schicksal der freien Bürgerschaft
gekämpft, mit der sich der Baron die Treue der Städter erkauft
hatte. Doch nicht vor den Toren der Stadt, sondern auf den Schwarzen Marschen
fand die Schlacht statt.
Nun hörte man auch schon die dumpfen Klänge
der Trompeten und Trommeln aus der Ferne. Die Schlacht war im vollen Gange.
Die Baronin von Efferdas hieß mich hier in Shumir aussteigen, sie
gedachte nun alleine den Schauplatz der Kämpfe zu besichtigen. Was
auch immer ‘besichtigen’ in diesem Zusammenhang für eine Bedeutung
haben mochte. Die Baronin stieg nun selbst auf einen schwarzen Rappen und
ritt eiligst in Richtung der Marschen.
Währenddessen begab ich mich zum Rathaus
der Stadt, wo ich erfuhr, daß der Baron das Terrain schon mehrere
Tage zuvor in Augenschein genommen hatte und nun dem Prinzen seine Wahl
diktierte. Die Schwarzen Marschen waren ein relativ ebenes Gelände,
die ihren Namen durch zahlreiche Torfmoorseen hatten. Eine überstürzte
Flucht in unbekanntes Gebiet sollte sich daher keine der beiden Parteien
leisten. Die Schwarzen Marschen galten aber allgemein als nicht sehr tückisches
Sumpfgebiet, allein der Platz wurde durch offensichtliche Torffelder beschränkt.
Weiter erfuhr ich, daß sich der Signor
von Tokram, Leomar Romualdo di Fortunara, dem Baron angeschlossen hatte.
Nicht jedoch mit weiteren Einheiten, was Baron Ariano mißgestimmt
zur Kenntnis genommen hatte, wie mir Maestro Nestefan versicherte. Dafür
waren aber einige Bürger der Stadt mit in die Schlacht gezogen. Wie
viele es sein mochten, konnte oder wollte mir Maestro Nestefan nicht sagen.
Auch verweigerte er mir - mir, dem Comto Schatz-Canzler Yaquirias - die
Bereitstellung eines Pferdes. Weder Drohen noch Bitten, was mir ob meiner
Stellung sehr bitter aufstieß, halfen diesen sturen Pfeffersack zu
bewegen. Wieder einmal wurde es mir vor Augen geführt, wie es sich
rächt, wenn man frechen Bürgerschaften zu viele Freiheiten läßt.
Mögen die Salicumer Zünfte mir nicht noch einmal mit derartigen
Forderungen unter die Augen treten.
Mißgestimmt und arg in meiner Ehre beleidigt,
trat ich vor die Stadtmauern. Allein ein Duell mit diesem Pfeffersack schien
mich besänftigen zu können. Doch verbot sich dieses natürlich
von selbst, welcher Edelmann kreuzt die Klinge mit einem, der nicht von
Stand ist?
Noch in diese Gedanken versunken, traf ich durch
eine glückliche Fügung des Schicksals, dem Herrn PHEx sei gedankt,
vor der Stadt auf Baronet Ariano Sal von Treuffenau-Veliris, das fünfte
Kind des Barons. Durch die ‘Vergeßlichkeit’ seines Commandanten,
des Herrn Capitano Mondino von Firdayon-Agendayo, hatte er eine Depesche
seines Vaters erst mit reichlich Verspätung erhalten, weswegen er
frühest vor wenigen Augenblicken hier in Shumir hätte eintreffen
können.
Natürlich wollte sich der Baronet keinen
Lidschlag mehr durch mich aufhalten lassen und geradewegs Richtung Schlachtfeld
reiten, allein der Respekt meines Amtes und Ansehens hielt ihn zurück.
Ein beredter Unterschied zu dem unverschämten Verhalten dieses Bürgervorstehers.
Und so war es mir ein Leichtes ihm verständlich zu machen, daß
die schnellste Möglichkeit zu seinem Vater vorzustoßen, allein
die sei, mir ein Pferd zu organisieren und mich sodann zum Kampfgeschehen
mitzunehmen. Nur wenige Atemzüge später ritten wir in Richtung
Schwarze Marschen.
Der Schlachtenlärm war nun auch bald deutlich
zu hören. Beide Seiten waren nun seit einiger Zeit in direkte Kämpfe
miteinander verstrickt. Und von der nächsten Erhebung aus konnte man
das Schlachtfeld dann auch sogar sehen. Zwischen einigen Hügeln erstreckte
sich der Kriegsschauplatz und die Feldherrenzelte beider Seiten lagen oberhalb
des Kampfgeländes. Das Zelt von Prinz Ralman stand erkennbar ungünstiger,
weswegen ich mich weiterhin dem Weg des Baronets Ariano Sal anschloß.
Auf dem Feldherrenhügel Baron Arianos angekommen,
begrüßte mich dieser mit einer spitzen Bemerkung, die ich hier
nicht gedenke wiederzugeben, und verwies mich auf einen Stuhl im Nebenzelt.
Dort platzgenommen, begann ich sofort mit der Schilderung meiner Erlebnisse
bis zu diesem Zeitpunkt und der Aufzeichnung der kommenden Ereignisse.
Dieses Werk hält der geneigte Leser nun in Händen. Direkt oberhalb
des Schlachtfeldes von eigener Hand verfaßt.
Leider hörte ich nun nicht mehr, was Baron
Ariano mit seinen Obersten besprach. Sei es drum.
Bislang wogte das Schlachtenglück hin und
her und es war noch längst nicht abzusehen, welche der beiden Seiten
die Oberhand gewinnen würde. Jetzt konnte ich im Getümmel auch
das ein oder andere Banner ausmachen. So hatte es der Signor von Mantrash
also noch rechtzeitig geschafft, wie mir das Hornechsenbanner inmitten
des Schlachtgedränges bewies. Zwischen den velirischen Lilien konnte
ich auch das Banner des Signor Romualdo ya Cantarras entdecken.
Die Schlacht schien nun an Heftigkeit zuzunehmen,
zahlreiche Pfeilsalven flogen durch den Himmel und auch schweres Kriegsgerät
war auf beiden Seiten aufgefahren worden.
Im Feldherrenzelt Baron Arianos schien nun Hektik
aufgekommen zu sein. Zahlreiche Boten brachten Nachrichten und wurden mit
neuen Befehlen zurückgeschickt. Nun drang eine Schreckensnachricht
sogar bis zu mir herüber: Der Connetabel von Grangoria war gefallen!
Während ich diese Botschaft noch verdaute, erscholl der Ruf ‘Die Clamether
kommen!’ über die Hügel und in der Tat sah ich eine Schar Reiter
heranpreschen. Das Banner Ulim Marcieros vorneweg!
Fortsetzung folgt.
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Gonfaloniere
Veliris’ schlägt Aufruhr in Shumir nieder
von Gerilian von Torrem
(Bosparanisches Blatt Numero 13, ING 2512
Horas)
Noch nicht lange ist es her, da berichteten wir
vom Verschwinden Baron Kemocs des Schwarzen von Shumir (BB#10), der unter
noch immer ungeklärten Umständen seiner Baronie den Rücken
kehrte. Nicht auszuschließen, daß er im Kampf gegen Borbarad
gefallen ist, war er doch einer der ersten, die gen Osten gezogen sind.
Wir erinnern uns. Doch schon wieder lassen ungewöhnliche Nachrichten
aus der Baronie Shumir aufhorchen.
Vor wenigen Wochen wurden Gerüchte laut in
denen es hieß, die Bauern Shumirs hätten die Vogtsherrschaft
satt und wollten mehr Rechte und Freiheiten haben. In Ferlath sollten sich
einige Bauern erhoben und das Schloß Horas-Signora Laronas Megarro
von Ferlath bestürmt haben.
Schatzmeister Cyberio ya Zarol, Esq., der regierende
Vogt Shumirs, konnte diese Gerüchte aber schnell zerstreuen und sie
als Panikmache abtun. Der Vogt führte die Geschicke der Baronie schon
seit mehreren Monden und galt allgemein als zuverlässig. Für
wenige Wochen kehrte wieder Ruhe in die beschauliche Region zwischen Sewak
und Yaquir ein.
Doch im PER 2512 Horas kam die Wahrheit ans Licht.
Nicht etwa die Bauern waren es, die den Aufstand probten, sondern eine
Signorsfraktion unter Führung Signora Darias von Sewaklauf-Shumir,
eine entfernte Verwandte des Barons, hatte sich erhoben. Signora Daria,
die schon seit etlichen Monden den Baronsstuhl von Shumir für sich
beansprucht, hatte zusammen mit den Signoras von Linnrath und Tillvod eine
Landstreitkraft aufgestellt und war gegen die Stadt Shumir gezogen. Die
Signora hatte den berüchtigten Condottiere Cardolfo in ihren Dienst
gestellt, der auch schon an der Veliriser Blutfehde beteiligt war. Horas-Signora
Larona Megarro, die versucht hatte den Vormarsch auf Shumir zu verhindern
und Hilfe aus Vinsalt zu erbitten, wurde daraufhin kurzerhand in ihrem
Schloß festgesetzt.
Schatzmeister Cyberio, der zunächst noch
geglaubt hatte mit Hilfe der anderen Signori gegen die aufständischen
Adligen vorgehen zu können, deckte durch seine Beschwichtigungen noch
die Verräter. Nicht nur das, er unterstützte sie auch noch ungewollt,
war sein Versuch eine Gegenarmee aufzustellen doch schon schnell gescheitert.
Der Sohn des erst kürzlich verstorbenen Signors di Jorcas von Perainidal,
Amaldo Reon, vertrat auch weiterhin die Position seines Vaters und wollte
nur dann seine Hilfe anbieten, wenn Shumir zu einer eigenständigen
Domäne würde, selbstverständlich unter ihm als Gransignor.
Da aber auch der regierende Vogt die junge Macht nicht aus den Händen
geben wollte, der Verwalter von Holdan sich nie irgendwo einmischt, die
Stadt Shumir sich neutral verhielt - man munkelte, sie hätte den Zug
Signora Darias überhaupt erst finanziert - und auch die anderen Signori
sich nicht auf einen Machtkampf einlassen wollten, konnte es nicht zu einer
gemeinsamen Aktion kommen. Die wenigen Soldaten des Schatzmeisters wurden
daher auch recht schnell aufgerieben. Jetzt rächte sich, daß
man schon seit Monden die Kontingente der Cron-Legion verringert hatte.
Horas-Signora Larona Megarro von Ferlath konnte
zwar inzwischen gen Veliris fliehen, wo sie im Velirial Schutz gefunden
hatte, ihre Güter wurden aber noch immer durch Signora Darias Schergen
besetzt. Auch der Gräfliche Vogt Sibur Aralzin zu Yasbêc wurde
von den Truppen der Signora gen Bethana vertrieben. Hier brach dann auch
endgültig der angestaute Unmut gegen die Hinhaltepolitik der Hesindiane
Aralzin aus, die sich den Eingaben Signora Darias nie gestellt hatte.
Signora Daria von Sewaklauf-Shumir stand vor
dem Sieg.
In dieser verzwickten Lage - die Gräfin in
Bethana hatte bereits ihre Hilfe versagt - griff der Baron von Veliris
helfend ein. Ariano von Treuffenau-Veliris entsandte eine Streitmacht von
über 200 Mann unter dem Kommando des Gonfalonieres von Veliris, Tarim
Ciras von Veliris-Carinto, gen Shumir. Die Schar setzte sich aus dem Schwadron
Veliriser Lanzer zusammen, sowie aus 100 Söldlinge der Goldenen Legion
und schließlich stießen in Tarin noch 50 Söldner der Stadt
Veliris hinzu. Dann überschritt man die Grenze.
Zunächst stieß man auf wenig Gegenwehr,
doch am Morgen des 2. PER 2512 Horas traf man sich auf den Linnrather Wiesen.
Aus unerklärlichen Gründen wurden die Soldaten Signora Darias
von ihr selbst angeführt und nicht von Condottiere Cardolfo. Vielleicht
scheute dieser ein Zusammentreffen mit Gonfaloniere Tarim Ciras von Veliris-Carinto,
stand der Söldnerhauptmann doch noch vor wenigen Jahren in Diensten
seiner Familie.
Die Truppen unter Signora Daria waren nicht nur
zahlenmäßig unterlegen, sondern auch ihre Anführerin konnte
sich nicht mit den Fähigkeiten ihres Gegners Tarim Ciras von Veliris-Carinto,
der seine Sporen bereits im Drôler Feldzug unter Staats-Mareschall
Folnor Sirensteen verdiente, messen.
Der Verlauf der Schlacht ist demnach schnell erzählt:
Nach einigen wenigen mutigen Vorstößen der knapp schwadronstarken
Reiter Signora Darias, die an den Piken der Veliriser Söldlinge abprallten,
und bei denen die Signora selbst verwundet wurde, wandten sich die Verbündeten
der Signora zur Flucht.
Daria von Shumir-Sewaklauf hingegen wurde in
ihrem eigenen Sewakturm festgesetzt - ihre Verletzungen waren nicht lebensbedrohlich
- ebenso wie auch alle anderen Beteiligten, Signora Gylduria von Linneth
und Signora Sara della Tegalliani von Tillvod unter strengen Hausarrest
gesetzt wurden. Alle Ländereien von Sewaklauf über Yasbêc
bis hin zu Shumir stehen nun vorübergehend unter Veliriser Zwangsverwaltung.
Wobei die Stadt Shumir selbst ihre Freiheit erklärte. Ein Zugeständnis
Baron Arianos?
Auch die Signorie Illstan von Comtessa Findualia
Aralzin von Yaquiria-Illstan und Bethana wurde nach Rücksprache mit
der Comtessa durch Veliriser Truppen vor den plündernden Söldlingshorden
Signora Darias geschützt, weilt die Comtessa doch zur Zeit in Altbomed,
wo sie den Bomeder Grafenstuhl für sich beansprucht. Der Rest Shumirs
wurde Signor Amaldo di Jorcas von Perainidal unterstellt.
Baron Ariano von Treuffenau-Veliris ließ
in Veliris, wo gerade die Hochzeit seiner Tochter mit dem mittelreichischen
Landedlen Thalin Hal von Wichtenfels und das große Baronsfest stattfand
- zu dem zahlreiche Adlige des ganzen Reiches angereist waren - verkünden,
daß er tief bestürzt über die abstrusen Verhältnisse
in Shumir sei und das ihm Mögliche leisten wolle, um wieder Recht
und Ordnung in diesem Landstrich einkehren zu lassen. Sein Eingreifen sei
ein Gebot Rondras und Praios gewesen. Er ließ keinen Zweifel daran,
daß er die abwartende Haltung Gräfin Hesindianes mißbilligte
und ihre Teilnahmslosigkeit an Shumirs Schicksal verantwortlich für
den jetzigen Verfall machte.
Der Baron von Shumir sei immer ein enger Freund
der Familie gewesen und es wäre seine göttergefällige Pflicht
gewesen nicht tatenlos zuzusehen wie das Land zu verwahrlosen drohte. Soviel
aus Veliris.
Wirklich ungewöhnlich daran ist, daß
kein weiters Wort aus der Baronie zu hören war - Schweigen der anderen
Veliris-Familien. Ließen beide Parteien noch vor Wochen keine Gelegenheit
aus, sich gegenseitig zu diffamieren und schlecht zu machen, liegt nun
eine nahezu beängstigende Stille über Veliris. Die Familien Veliris
werden sich doch nicht etwa verbündet haben? Hesinde bewahre uns vor
einem geeinten und starken Haus Veliris. Erinnern wir uns nur an Rondrajan
von Veliris zurück, der nicht einmal davor zurückschreckte König
Khadan um die Grafenwürde von Bomed zu erpressen. Vergeblich, wie
wir wissen.
Auch der ansonsten so geschwätzige Erbkämmerer
Altbomeds, Cavalliere Selinan ya Guttenberg von Tarcallo, konnte nicht
zu einer Stellungnahme bewegt werden. Wie es überhaupt schwer für
die Redaktion war Stimmen zum Vorgehen des Barons von Veliris zu erhalten.
Anscheinend hat seine Hochgeboren dafür gesorgt, daß alle Verbündeten
und Freunde seines Hauses sich durch offen zur Schau gestellte Neutralität
hinter ihn stellten.
Aber das Bosparanische Blatt wäre nicht
das was es ist, wenn es nicht auch trotz dieser Schwierigkeiten und hohen
Schweigemauern einen kompetenten Kommentator zur Veliris/Shumir-Lage gefunden
hätte.
Seine edelhochgeborene Excellenz, der Comto Schatz-Canzler
Yaquirias, Tarin Salquinio von Salicum-Selzin, stand uns Rede und Antwort.
Im Palazzo Salicum, direkt am großen Amphitheater, wurden wir erwartet.
Seine Excellenz empfing uns in seinem Arbeitszimmer, wo er gerade den Cron-Secretario
für Staatsfinanzen entließ. „Der Comto Seneschall brauchte mal
wieder einige Dukaten", lächelte Comto Tarin, bevor er mir in einem
bequemen Ledersessel einen Platz anbot. „Schon lange keine Gespräche
mehr geführt, Gerilian, nach dem kleinen Zwischenfall im Kaiserpalast,
wie?" Der Comto Schatz-Canzler spielte auf meinen Fehltritt in den Gemächern
des Prinzen Timor an. „Aber laßt uns doch lieber über die Lage
in Shumir sprechen, Excellenz", entgegnete ich ihm. „Wie zum Beispiel erklärt
Ihr Euch die Geschehnisse?"
„Nun", der Comto nippte an seiner heißen
Schokolade, nachdem auch ich zur Tasse gegriffen hatte, „der gute Ariano
ist ein gerissener Mann, müßt Ihr wissen. Schon immer wußte
er die Gunst der Stunde zu nutzen. Was glaubt Ihr, wie er Baron von Veliris
wurde? Glaubtet Ihr er hätte die ganze Zeit in seinem Drachenturm
gesessen und abgewartet, bis die reife Frucht ihm in den Schoß fiel?"
Auf die Pause des Comtos reagierte ich mit Achselzucken.
„Geschüttelt hat er!" „Wie meinen Eure Excellenz?
Geschüttelt?" „Am Baum!" „Welcher Baum?" Der Schatz-Canzler verdrehte
die Augen: „An dem Baum, an der die reife Frucht hing natürlich!"
Seine Excellenz stand auf. „Er war neben der Gräfin von Bomed - eine
gute Freundin von mir im übrigen - der mächtigste Signor in Veliris.
Nicht nur das ihm das wichtige Tuffino gehörte, nein, er verstand
sich auch mit dem Baron von Tikalen recht gut. Dieser hatte ja schließlich
auch erheblichen Einfluß auf die Belehnung der Treuffenau-Veliris
Linie mit der Baronskrone." „Und was hat das alles mit Shumir zu tun?"
Der Comto Schatz-Canzler blickte mir in die Augen:
„Lieber Gerilian, ihr als Mitglied des Hauses Torrem, müßtet
es doch am ehesten wissen. Wie seit Ihr denn überhaupt an ein Gespräch
mit Prinz Timor und dem Comto Canzler gelangt?" „Ich kann Euch wieder einmal
nicht ganz folgen, Excellenz!" Comto Tarin setzte sich wieder. „Das Haus
Torrem ist doch schon seit Jahrhunderten mit den Firdayons so stark verbunden,
daß ihr längst schon zur Familie gehört. Das Familieninteresse
steht doch über allem. Und die Veliriser und Shumirer verbindet eine
ebenso lange Freundschaft, die immer wieder durch familiäre Bande
verstärkt wurde. Was glaubt Ihr, wie sonst eine so vage Grenze zwischen
Linnrath und Carinto über Jahrzehnte hinweg Bestand haben konnte?"
„Ihr werdet es mir gleich sagen, Excellenz." Comto Tarin sprang wieder
auf, griff in ein Regal und zog einen dicken Folianten heraus. Nach einigem
Blättern warf er ihn mir auf den Schoß. „Hier, der Bomed aus
dem Jahre 2495 Horas. Seht selbst. Drei Hochzeiten in den letzten Jahrzehnten,
zwei Vormundschaften und zahlreiche alte Verbindungen aus den Jahrhunderten
zuvor. Versteht Ihr jetzt?"
Nachdem ich den Stammbaum und die vielen Verweise
zwischen beiden Familienlinien gelesen hatte, stimmte ich dem Comto Schatz-Canzler
zu. „Ihr habt Recht, Euer Excellenz. Doch warum gerade jetzt? Baron Kemoc
ist doch schon seit bald zwei Jahren nicht mehr in Yaquiria gewesen?"
„Der Zeitpunkt hätte nicht günstiger
sein können. Die Firdayons sind mit sich, den Garethern und den Zyklopeninseln
beschäftigt, Ihr könnt das sicherlich bestätigen..." Ich
nickte nur wissend. „Gräfin Hesindiane versucht gerade das Beziehungsnetz
ihrer verstorbenen Mutter Udora - ein tragischer Verlust für das Land,
wie ich noch hinzufügen möchte, schreibt das", fuhr der Comto
fort, „zusammenzuhalten und sucht einen neuen Machteinfluß durch
ihre Base Findualia in Bomed zu erreichen. Noch mehr Aktivität kann
sie sich einfach nicht leisten. Überhaupt blickt das Reich eher gen
Osten - und wenn schon nach Grangoria, dann auf Altbomed, wo ein Machtkampf
der alten Häuser Yaquirias um den Grafenstuhl entbrannt ist. Günstiger
hätte der Aufstand Signora Darias nicht sein können."
Mir kam eine Idee: „Haltet Ihr das für einen
Zufall?" „Ach, Gerilian, ich bin schon solange im Ränkespiel des Reiches
verwurzelt, daß ich einfach nicht mehr an Zufälle glauben mag.
Gräfin Udora, wir sprachen eben noch von der klugen Füchsin,
sagte einmal zu mir: ‘Tarin, laß die anderen an Zufälle glauben,
es spielt sich so viel einfacher Schicksal.’ Und Recht hatte sie, die ungekrönte
Königin des Intrigenspiels. Ich hatte einmal das Vergnügen gegen
sie spielen und verlieren zu dürfen. Es war der dritte Convent im
Jahr 2502 Horas. Das Amt des Comto Schatz-Canzlers sollte neu besetzt werden,
nachdem Gräfin Udora dem alten Saldur von Firdayon-Schelf - Boron
hab ihn zu Phexens Hort gebracht - übrigens ein Verwandter von Euch
nicht?" „Vetter, dritten Grades." „Nun zumindest hatte Udora Saldur einige
Unterschlagungen nachweisen können, die ihm die Kette kosteten." Der
Comto Schatz-Canzler spielte mit den goldenen Gliedern seiner Amtskette.
„Und nun galt es einen Nachfolger zu bestimmen. Nicht nur, daß sie
wohl den halben Cron-Convent bestochen zu haben schien, nein, sie wußte
sogar alle Schritte von mir im voraus. Bei jedem Mitglied, daß ich
zu meinen Gunsten umstimmen wollte, war sie schon zuvor gewesen. Und so
war es kein Wunder, daß der gute Viburn von Westfar die Schlüssel
zur Schatz-Cammer Yaquirias erhielt." Versonnen schwirrten die Gedanken
des Comtos in der Vergangenheit, ein Lächeln lag wieder auf seinen
Lippen. „Wo waren wir, Gerilian?"
„Ihr spracht von Schicksal!" „Ach ja, Schicksal."
Seine Excellenz richtete sich im Sessel auf. „Überlegt einmal, von
wem kann Signora Daria das Gold für Condottiere Cardolfo nur gehabt
haben?" „Von der Stadt Shumir?" „Ja auch. Doch wer ist der Bürgermeister
von Shumir?" „Ragordan Nestefan." „Richtig, doch woher stammen die Nestefans?"
Der Comto blickte mich erwartungsvoll an. „Nestefan? Hm, stammen die nicht
aus... aus Veliris? Tatsächlich, die Nestefans kommen aus Veliris.
Sie sind sogar im Rat der Stadt, wenn ich mich nicht irre. Aber was haben
die Nestefans von einem Doppelspiel mit Daria von Sewaklauf-Shumir und
dem Treuffenau-Veliris?" „Sie selbst nichts, aber die Nestefans sind mit
den Aldubhors verwandt. Und wie Ihr selbst wißt, versucht Signor
Arralin - gerade erst erhoben -, nun sogar Graf von Bomed zu werden. Wie
es aussieht nicht ohne Chancen, gilt doch Herzog Cusimo als recht Borontreu,
womit das Testament der Gräfin starkes Gewicht bekommt, das Arralin
bestimmt. Äußerst ungewöhnlich zwar, aber was ist schon
von einer Welt zu halten, in der Kaufleute einen Grafen aufkaufen?" „Ihr
sprecht von Belhanka?" „Ganz recht. Diese Neureichen sind mir nicht ganz
geheuer. Oder nehmt diese Strozzas! Überhäuft mit Ehren und Titeln,
aber für mich bleiben sie emporgekommene Geldwechsler. Und so geht
es nicht nur mir. Sicherlich hat auch der Veliriser starke Vorbehalte gegen
diesen Krämer. Der Aldubhor hat sich die Unterstützung Baron
Arianos durch das Doppelspiel mit Signora Daria erkauft. Wahrscheinlich
wurde Cardolfo gleich zweimal bezahlt, sieht man sich an, wie schnell er
doch die Flucht antrat."
„Ein eingefädeltes Spiel, also? Doch wozu
der ganze Aufwand?" Der Comto sah mich scharf an. „Wozu der Aufwand? Seht
Euch doch das Ergebnis bis jetzt an. Baron Ariano hält die Hälfte
von Shumir besetzt. Ihm fehlt nicht mehr viel und er hat einen Zugang zum
Meer der Sieben Winde, den er immer haben... Moment! Da liegt ja mein Selzin!
Gerilian, Ihr müßt jetzt gehen, ich habe heute noch einiges
zu tun. Die Arbeit ruft. Gehabt Euch wohl und Hesinde mit Euch." Seine
Excellenz nahm mir die Tasse mit inzwischen kalter Schokolade aus der Hand,
zog mich aus dem Sessel und schob mich aus dem Zimmer. Hinter mir schloß
sich die reich verzierte Flügeltür und ich stand in der hohen
Halle des Palazzo Salicum. Allein mit meinen Fragen.
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Der
Eherne Landtag
(Bosparanisches Blatt Numero 7, PHE 2510 Horas)
Höret! Höret ! Höret! Was sich
alldieweil im Grangorer Lande zugetragen. Die Botenreiter tragen es bereits
ins Reich, doch sind´s Gerüchte nur, eins ums andere ungeheurer
an Gehalt. Von der Stände Tag zu Bomed, wahrlich, und allem, was dort
gesagt und offenbar, und auch von dem, was da beschlossen und gesiegelt,
will ich euch nun getreulichst künden. Leset dessenthalben den Bericht
aus meiner, des Corto di Gaviani, Feder, wie ich alles mit eignen Augen
gesehen und mit eignen Ohren alles gehört habe.
Von des Garlischgrötzens
Ansinnen und seines treuen Kanzlers Rat
Auf Burg Windhag, der Herzöge Residenz zu
Grangor, hat es sich begeben, daß Seine Hoheit Cusimo Garlischgrötz,
Herzog von Grangor und trefflicher Streiter für Ihro Horaskaiserliche
Majestät, des jüngst verschiedenen Grafen Kalman von Farsid gedachten.
Dieser war am 21. PRA dieses Jahres vor der mittelreichschen Feste Eslamsberge
in einem waghalsigen Angriffe gefallen, das ist wohl bekannt. Nicht über
Schuld und Treuebruch sannen Seine Hoheit, das wär´ wohl müßig,
es mögen denn die Götter droben nun bescheiden, aber wohl des
schweren Erbes, welches der Hochwohlgeborene Ihr hinterlassen. Denn Phecadien,
stolze Grafschaft, war verwaist nach des kinderlosen Grafen Tod, und dort
dräute schon der Streit, den jener vom Zaum gebrochen, als Krieg vom
Mittelreiche her mit aller Macht und Gewalt in das Land der Horas einzufallen.
Allein, die Heerscharen zu sammeln und die Lande
stark zu befestigen, ermangelte es der Ducaten, hatten doch die Ereignisse
der letzten Monde die Herzogskasse arg geschröpft. Drum faßten
Seine Hoheit den Entschluß, die phecadische Provinz dem herzoglichen
Eigengute zuzuschlagen und ferner eine Herzogssteuer zu erheben, auf diese
Weis´ das Säckel wieder mit Golde zu füllen.
Nun, wie die Hoheit Ihren Kanzler rufen, den
alten Comto Chiranor Tegalliani, ihm die Ausführung unverzüglich
aufzutragen, gemahnet dieser Einhalt. Seiner Hoheit sei´s wohl gerad
entfallen, daß zu erwähntem Zwecke die Landstände des Herzogtumes
einzuberufen seien, wie ein altes Gesetz aus der Zeit des Herzogs Odoardo
Garlischgrötz, Seiner Hoheit Urahn, eindeutig besage. Zwar sei es
richtig, daß jene Verordnung seit langer Zeit nicht mehr zur Anwendung
gelangt sei, zuletzt im 2451. Götterlaufe seit HORas Erscheinen, als
es gegen die Novadischaren ging, doch altes Recht sei gutes Recht, so sprach
der Kanzler.
Dem Herzog Cusimo war´s gleich, mochten
die Landstände ruhig beraten und bereden, und dann beschließen,
was sein Wunsch war. Also haben Seine Hoheit den Comto Tegalliani
angewiesen, in Ihrem Namen die hohen Herrschaften des Herzogtumes zur Ständeversammlung
nach Farsid zu laden. Alldieweil werde der Herzog nach Arivor reisen, den
Theaterfestspielen beizuwohnen, dann zu Kuslik schon erwartet, wenn die
Fürstin Kusmina der Vermählung ihres Cousins zu Ehren drei Bälle
gebe, er sei ergo zu entschuldigen. Der Kanzler aber tat, wie ihm die Hoheit
geheißen, und bestellte die Damen und Herren auf den 20. RON 2510
in den nämlichen Ort.
Von der Landstände Aufzug
Es war nicht mehr denn ein sanfter Hauch vom Meer
zu spüren, als am 18. RON die ersten Edlen im stillen Farsid eintrafen.
Ach, solch eine Pracht ward im Herzogtume am Phecanowald schon lang nicht
mehr gesehen! Es zogen auf die hohen und niederen Adligen der Provinz,
das sind die Gräfin von Bomed (vertreten durch ihren Hofsecretario)
und die Barone von Sewamund und Tikalen, weiter die Landherren von
Schradok und Venga, der Herzögliche Vogt zu Veliris, dann auch die
Signori, die Cavallieri und Castellani. Auch die waren gekommen, die seit
altersher das Wort in der Versammlung erheben dürfen, wiewohl sie
keine Stimme ihr eigen nennen: Das sind die Horas-Ca-stellani der kaiserlichen
Pfalzen Durindal, Phecanostein, Gugellabrück, Naumstein und Leomarensteyn
sowie die Secretarii der Grangorer Hofkanzlei und die Mitglieder des Hofgerichtes.
Hinzu kamen die Vertreter der Kirchen: Nach alter
Regel entsenden diese Geweihte den Einnahmen an Spenden und Zehnt entsprechend,
die ihre Tempel in der Provinz über die vergangenen fünf Götterläufe
verzeichnet haben. Das Wort erhalten zudem die Meister der Ordensbünde,
die ein Haus im Grangorschen unterhalten: Das sind der Sanct-Aldigon-Orden
zu Veliris, der Therbû-niten-Orden zu Venga sowie der Orden der Cavallieri
vom gyldenen Passe und der Orden der Hl. Noiona von Selem zu Tikalen.
Schließlich sind noch die gewählten
Vertreter der Städte zu nennen, die sich laut Privileg „ihr eigen
Herr" heißen mögen: Zufürderst die Freie Stadt Grangor,
aber auch Sewamund und Venga.
Summa summarum kamen da 71 Adelsleut, 53 Geweihte
und 25 Bürgerliche zusammen, eine stattliche Zahl, bedenkt man
zudem das Gefolge der Herren und die zahlreichen Schreiberlinge, dürften´s
wohl an die tausend Frauen und Mannen gewesen sein, just soviele und noch
einige mehr, wie Farsid Bewohner zählt! Das ist ein Nichts gegen den
Hoftag des Garethischen Prinzen drei Götterläufe zuvor, wahrhaftig,
das ist mir wohl bekannt, doch für nur eine einz´ge Provinz
unseres Reiches war´s ein stattliches Ereignis und denkwürdig
dazu.
Von einer feierlichen Eröffnung
und einem jähen Ende
So geschah´s, daß zur ersten Praiosstund´
des 20. RON all die hohen Damen und Herren im Groszen Saale des alten Herzogsschlosses
Ardenhain zu Farsid versammelt waren, die Herzöglichen Geleitworte
zu erwarten. Alle Augen waren auf die rückwärtige Wand gerichtet.
Dort unter den großen Fensterscheiben, zwischen den beiden kleinen
Eichentüren, stand der hohe Stuhl mit dem Baldachin des Provinzherren
in den Garlischgrötzschen Farben Blau und Hermelin. Zwei Frauen in
den Waffenröcken der Herzöglichen Garde standen mit aufgesetzten
Hellebarden dem Thron zu beiden Seiten.
Drei feine Stufen im mamornen Boden trennten
sie und den hinteren Teil von den Plätzen der anwesenden Stände.
Zur Linken des roten Läufers, der sich vom Herzogsstuhl aus geradewegs
zu den Flügeltüren zog, warteten die Geweihten, die Tempelherren
auf Stühlen, die gemeinen Priester auf beiden Füßen stehend.
Zur Rechten hielt sich der Adel bereit, die Barone
und Landherren in Sesseln mit ihres eignen Wappens Zeichen, mit ihrem treuen
Schwerte gegürtet die Barone gar, wie es Sitte ist seit altersher.
Die Stühle Bomed und Veliris waren verwaist, es standen die Vögte
dahinter, gar einsam lag Phecadien dar. Hinter diesen standen wiederum
die Signori und Cavallieri all, aufrecht und erwartungsvoll.
Nach diesen Reihen war linker Hand ein Podest
aus Bosparanierholze aufgebaut, darauf die Gesandten der stolzen Städte
standen, der Hoheit ins Antlitz zu schauen. Darauf querte ein zweiter Läufer
den ersten und verband die beiden Türen in Efferds und Rahjas Wand,
wohinter beiderseits der Hauptbrücke hölzerne Schranken von Hüfthöhe
wohl aufgestellt waren. Und dahinter endlich standen all die Frauen und
Mannen, die allein das Wort in dem Landtag hatten, nicht minder voll der
Ungeduld.
All über all sah man Wappenschilde bunt
und schön, die an den Wänden hingen, und auch Fahnenwerk und
Banner hingen von den seitlichen Emporen, auf denen das gemeine Volk, die
Knappen, die Schreiber, die Redacteure (also auch meine Wenigkeit), die
Gatten und die Schaulustigen all ihren Platz fanden. Voll war der Grosze
Saal von Menschen, und wäre nicht der zarte Duft aus Weihrauchbecken
aufgestiegen, so hätte einer wohl mancherlei Ding gerochen.
Und nur hier und da ein geflüstert Wort
unterbrach die ehrfürchtge Stille in dem Raum, war es doch gleich
Zeit. Und wirklich, in dem Moment, als Herr Praios gar strahlend durch
die rückwärtgen Fenster hereinschaute und die Spannung schier
unerträglich schien, da öffnete sich die linke Türe mit
einem vernehmlichen Geräusch, worauf all die Herrschaften, die zuvor
gesessen, sich ebenfalls auf ihre Füße erhoben. Fanfaren tönten
laut, als der Edelhochgeborene Kanzler Chiranor Tegalliani im schwarzen,
von Silberbrokat durchwirkten Ornat die Halle betrat, um seinen Hals die
eiserne Kette des Tresimont, seines Amtes Zeichen.
Der weißhäuptige Comto tat einen Schritt
beiseite, und alle spähten schon auf die Gestalt, die da kommen sollte,
als die Fanfaren zum zweiten Mal erschallten. Doch was für ein Raunen
ging da durch den Saal! Ein schmächtiger Page nur im herzöglichen
Rock trat durch die Türe, vor seinem Leib auf sammetem Kissen der
Grangorer Lande Siegel tragend. Er hob es an und auf den hohen Stuhl, wo
es gebettet ward, und der Kanzler stellte sich davor. Just dann war einem
jeden klar, daß der Herzog nicht werde kommen, daß all das
Gerücht, das Nämliches besagt, wirklich wahr. Und in mancher
Kehle wuchs ein bittres Wort.
Doch ehe auch nur einer seine Stimme laut erheben
konnte, senkte und hob der Kanzler seinen Kopf in Richtung der Geweihten,
darauf ward´s wieder ruhig. Denn es ist Brauch, daß sodann
der oder die Älteste von diesen vortrete und den Segen der Zwölfgöttlichen
Geschwister auf den Ständetag herabrufe. Das war Ihre Hochwürden
Lûrinda Jaringer, Schwertschwester der alverianischen Leuin zu Phecanohang,
mit ihren dreiundachtzig Wintern. Und sie erhob sich und schritt nach vorn
und sprach die frommen Worte über die Versammelten, auf daß
sie Rechtes vom Falschen scheiden und keinen üblen Ratschluß
fassen wollten, und bei sich tat jeder seinen Schwur. Alsdann kehrte die
würdige Schwertschwester an ihre Stelle zurück.
„So sind Seine Hoheit wirklich zum Lustspiel
gen Arivor gefahren?" , brach sich ein Ruf aus der Signori Reihen Luft.
„Edle Frau, schweigt still,", gebat der Tegalliani
Einhalt, „Es ist an Euch noch nicht zu sprechen, alldieweil Wir diese Verhandlung
noch nicht eröffnet haben, in des Herzogs Namen." Und finster war
sein Blick und brachte Schweigen.
Endlich empfing der Kanzler eine Bulle aus eines
Pagen Hand, worauf er das Siegel brach und sie mit Bedacht entrollte. Ein
Räuspern, kurz, dann hub er an zu lesen. Und diesen Worten lauschend,
erfuhr der ganze Saal, was ich, mit HESindes Freiheit und Verlaub, schon
ganz am Anfang meines Schriftstücks dargestellt, und vielerlei
Gruß und freundlich´ Wort dazu.
„Das ist die Rede des Herzogs, meines Herrn,"
schloß der Comto Tegalliani und ließ die Rolle sinken. Er streckte
sich: „Ihr Stände habt vernommen, was zu beraten Ihr seid einberufen,
und was es sonst noch gibt. Bedenkt es wohl! Drum, mit des Herzogs Siegel
Macht, erklären Wir diesen Landtag für eröffnet." Ein Tönen
hob an. „Das Wort hat der Hofsecretario der Gräfin Bomed."
Mit einer höfischen Geste trat der Genannte
vor den Stuhl, sammelte seine Gedanken kurz und sprach „Dank Euch, Edelhochgeboren,
Kanzler. Im Namen der..." - weiter kam Herr Selinan ya Guttenberg nicht.
„Nein!", flog die Stimme des Baron Tikalen dazwischen.
„Nicht Ihr sollt reden, sondern ich!" Des Hochgeborenen Schwertfaust schlug
auf die Sessellehne hernieder.
Ein wütender Blick ging zurück: „Schweigt,
Tikalen! Wollt Ihr mir immerfort Ärger bereiten? So muß ich
die angedrohten Strafen doch noch..."
„Ruhig, meine Herren, ruhig!" Der Tegalliani
hatte laut gerufen. Dann wandte er sich dem just aufgefahrenen Freiherrn
zu: „Hochgeboren, haltet ein! Es ist altes Recht im Grangorer Land, daß
der Adlige von höchstem Rang als Erster soll im Rat die Rede führen.
Das ist, nach dem verwaisten Stuhl Phecadiens die Gräfin Bomed, und
dann erst Ihr." Es endete der Kanzler, und viele dachten an Graf Kalman,
und was er wohl gesagt.
„Was Ihr sagt, Edelhochgeboren, ist mir wohl
bekannt,", entgegnete Tikalen gefaßt, und er stellte sich ruhig hin,
die Hände an den Hüften, daß alle sehen konnten, was für
ein wohlgebauter und vornehmer Mann er war. „Doch ist´s ein ebenso
altes Gesetz, daß kein Secretario soll im Rat für einen sprechen
und seine Stimme halten."
Dem entgegnete des Herzogs Kanzler unverzagt:
„Hochgeboren, Ihr irrt. Es heißt in den Pergamenten, daß nimmer
einer soll für einen sprechen und seine Stimme halten, und das im
Grangorer Land, so er nicht selbst von Adel ist."
Da stakste ein Geweihter der Hesinde, ein junger
Mann noch, auf den Läufer: „Verzeiht mir, Comto Tegalliani, doch Seine
Hochgeboren haben recht. Die letzten Worte lauten: So er nicht selbst von
Adel ist und Lehensland hält von dem, für den er vor die Stände
tritt. Von Adel ist Herr Selinan nun, doch ein Lehen ist ihm nicht zueigen."
Der alte Kanzler legte seine Stirn in Falten
und sann nach, dann nickte er: „Gut, Tikalen, Ihr mögt sprechen, und
Herr Selinan soll hier schweigen, doch seid Euch sicher, daß Ihr
es nicht allein um Eures Zwistes willen tut."
Mißgünstig schielte der Hofsecretario
auf den Baron, als er hinter seiner Gräfin Stuhl zurücktrat,
aber das Ziel seines Zorns wandte sich nicht zu ihm um. Des Hochgeborenen
Blick ruhte fest auf des Comtos Gesicht: „Seid darum unbesorgt, Edelhochgeboren.
Ich wollte die Ohren hier auf eine and´re Frage lenken,", er strich
sich mit der Rechten durch den schwarzen Bart, „Unumwun-den, Kanzler, frage
ich Euch, warum der Herzog Garlischgrötz uns seine Achtung verwehrt?"
„Ihr habt´s vernommen, Hochgeboren, es
ist Bosheit nicht, noch ein Mangel an Achtung, daß Seine Hoheit heut
nicht hier sind. Triftige Gründe hat´s."
„Und doch vermögen mich die artigen Worte
nicht darüber zu täuschen, daß Seine Hoheit diesen Landtag
geringer als einen Hofball dünken. Es bleibt ein Affront!"
Beifälliges Rufen aus allen Reihen ließ
ahnen, was die anderen Herrschaften davon dachten. Der Comto Kanzler tat
den Mund auf, doch der Tikalen fuhr fort, und seine Augen sprühten
vor Eifer: „Gerad in diesen Zeiten, die für das Herzogtum nicht einfach
sind, sollten sich Seine Hoheit wohl mehr auf Ernst besinnen. Wohin ich
schaue, ist nur schlechtes Werk und üble Tat! Der Graf Phecadien gefallen,
die Gräfin Bomed an die Lagerstatt gebunden, der Baron Veliris verschollen.
Vögte und Schreiber beherrschen das Land, und kein Edler ist da, sie
zu halten!" Eine Unruhe entstand unter den Signori. „Und wie sie
wirtschaften, diese Schreiber! Sie stecken wohl die Hälfte von allem,
was sie eintreiben, in ihre eigenen Säckel. Und all das geschieht..."
„Nehmt das zurück!", rief Herr Firdon Garlischgrötz,
der Herzöglich Vogt im Velirischen, und manche Dame und mancher Herr
aus Hofkanzlei oder Hofgericht tat´s ihm gleich oder ähnlich.
„Und all das geschieht,", der Hochgeborene ließ
sich nicht beirren, „während der Feind an unsren Grenzen steht. Bei
allen Zwölfen, das darf doch wohl nicht möglich sein!" Der Baron
wandte sich zu den Ständen: „Drum, meine Herrschaften, laßt
uns nicht lange reden, sondern handeln. Und nicht nur zu Phecadien und
Herzogsgeld laßt uns Beschlüsse fassen, sondern zu Veliris,
den verdammten Vögten und all den Fehden gleichermaßen. Es muß
das Herzogtum in Stärke stehen, sonst mag´s dem Garether nicht
die Stirn bieten!"
Ein Beifall hier, ein Schmähruf dort, die
Stände waren am Rumoren. Die Signora Zyrasia von Sewadâl übertönte
alle: „Wenn der Herzog von uns Steuern will, dann soll er kommen, sie zu
holen!" Dann ging´s so rasch durch alle Ecken, daß ich nicht
weiß, wer was gesprochen: „Den Herzog woll´n wir sehen und
nicht den Kanzler!" - „Phecadien bekommt er nicht." - „Die Hofkanzlei ist
verdorben - hinfort damit!" - „Laßt uns das Herzogsschloß hier
verlassen! Mag die Hoheit ruhig nach Venga kommen!" - „Nach Bomed gar ist´s
weiter von Grangor!"
Den alten Comto Tegalliani, der sich mühte,
Ruhe und Ordnung zu schaffen, vernahm man erst, als er fast schrie und
drohte, die Verhandlung zu schließen. Da frug ihn die Praiosdienerin
Tauralia spitzfindig, ob der Edelgeborene denn selbst ein Lehen von des
Herzogs Gnaden halte. Wie der Kanzler darauf heiser verneinte, sprach sie
ihm triumphierend das Recht ab, für seinen Herrn zu sprechen und die
Versammlung zu behindern, habe er doch mit eigenem Munde vorhin dem tikalschen
Baron das Gesetz bestätigt.
So ging es denn lautstark weiter, des verzweifelten
Comtos Mahnen ungeachtet, bis die Herrschaften beschlossen, den Herzog
in eigener Person nach Bomed zu fordern, wohin sie des Landtages Sitz verlegen
wollten. Allein auf diese Weise möge er noch das Veto wider die Entscheidungen
der Stände führen, oder mit Waffengewalt, so er sich dazu imstande
fühle.
„Aber ihr Damen und Herren, was sprecht ihr da?
Ihr könnt doch nicht..." Der Rest von des Tegallianis flehentlicher
Rede erging sich in einem Hustenanfall.
Der Baron Tikalen entzog ihm wieder das Wort:
„Also dann, auf nach Bomed!" Sprach´s und schritt über den Läufer
und durch die Flügeltüren aus der Halle hinaus. Und während
ihm andere nachfolgten, seinen Ruf aufgriffen und ihre Freunde mit sich
zogen, kniete ein Page neben dem armen Kanzler, der sich immer noch wie
ein Ertrinkender wand. Und sieh, binnen weniger Augenblicke war der Grosze
Saal bis auf ein klägliches Dutzend geleert. Was blieb da dem Edelhochgeborenen,
wieder aufgestanden und bei Atem, als seinem Herrn einen berittenen Boten
mit der schlimmen Kunde zu senden?
Von dem Landtag zu Bomed
So geschah´s, daß am 25. RON die Ständeversammlung
im Schlosse Hausbach zu Altbomed wieder zusammentrat, diesmal zu tagen,
„bis daß Signum und Siegel unter den Beschlüssen seien" (Stadtmeister
Pêr Fröhling). In den Tagen zuvor hatten eifrige Diener und
Mägde die weiten Flure und Hallen der selten genutzten und darum leerstehenden
Grafenresidenz in eine würdige und wohnliche Stätte verwandelt.
Und nun, am neuen Ort, folgten die Entschlüsse Streich auf Streich.
Zuerst ward der Tikalen zu des Ständetages
Vorsteher erwählt, dann, noch am ersten Abend erging der Ruf
nach einem allgemeinen Landfrieden. Am 26. ward dem Velirschen Herzogsvogt
das Recht, ein solcher zu sein, abgesprochen, worauf dieser gar heftig
protestierte. Der Signor Romualdo ya Cantarra möge die Herrschaft
an seiner Statt und einstweilen bis zu des Landtages Schluß verwesen.
Phecadien, die wehrhafte Grafschaft, solle nimmer an den Garlischgrötzschen
gehen. Die Versammlung bestimmte die Signora Alvana diYaladan von Unterfels
zu Lûmian zur Landt-Vogtin auf Widerruf. Am nächsten Tage forderten
die Stände für sich vermehrte Competencen und ein Kammer-Gericht
zu Venga, unabhängig von des Herzogs Hand. Die beiden folgenden Praiosläufe
gingen mit Streit um Hofkanzlei und Hofgericht dahin. Am 30. erklärten
die hohen Herrschaften die gerade genannten Einrichtungen für aufgelöst,
ihre Mitglieder hatten die Versammlung umgehend zu verlassen. Am 1. EFF
beging man gemeinschaftlich den Tag des Wassers. Zur ersten Perainestund
des 2. bliesen die Fanfaren: Der Herzog war gekommen.
Von dem zähen Ringen
Das Aufeinandertreffen der Hoheit und der Stände
verlief, sehr zum Mißmut der zahlreichen Spectatoren, in beschaulichen
Bahnen. Des Herzogtums Beherrscher hielt mit seiner Wut, so er sie denn
verspürte, zurück, zumal die Herrschaften auf der anderen Seite
ihm den gebührenden Respekt zollten. In Seiner Hoheit Beisein schritten
die Beratungen voran, bis der Baron Broderico und fünf weitere Gesandte
Ihr zur zweiten Boronstund des darauffolgenden Tages die Forderungen des
Bomeder Landtages vorlegten. Der Herzog Cusimo versprach, es zu beschauen
und sich gut zu beraten, drum er sich auch sechs Praiosläufe Bedenkzeit
ausbat. Die möchte man ihm wohl gern gewähren, sprach Tikalen,
und allen war es recht.
Derweilen kamen die Stände zu diversen Lustbarkeiten
zusammen, von denen der Rotrosenball am 9. EFF im Schlosse Hausbach selbst
wohl die prächtigste war. Am zehnten Tage dann fanden sich die Abgeordneten,
wie besprochen, in dem Palazzo Teffalura nahe der Stadt ein, wo Seine Hoheit
Sitz bezogen. Freundlich wurden sie durch den Herzog empfangen, doch mit
freudloser Kunde kehrten sie zurück. Nämlich, daß die Hoheit
weitere sechs Praiosläufe verlangt, die Zwölfzahl zu erfüllen.
„Denn schwierig ist´s und langwierig, und jede Hilfe von droben möchte
gern willkommen sein,", hatte sie gesagt.
Da gingen die Tage der Muße weiter und
die Herrschaften zur Jagd, zur kleinen Velirschen Messe oder zum Ball auf
Yaquirwacht, und hie und dort wurde schon die Unruhe laut. Böse Zungen
munkelten gar, nur dies sei die Absicht des Garlischgrötzschen gewesen,
doch darauf muß man nichts geben.
Zu Teffalura am 16. EFFerdtage traten die Gesandten
wiederum vor der Hoheit Antlitz, das herzögliche Urteil zu erfahren.
Es war kaum ein Staunen dabei, als der Herzog von Grangor den ständischen
Postulaten sein Siegel verwehrte. Abfällig habe er beschieden, so
redete der Herzog Cusimo, nicht weil sie frech und ohne Berechtigung seien
(und ließ damit offen, ob er denn so von ihnen dünkt), nein,
weil sie dem Herzogtum allein Übles einbrächten. Und darum und
im Weiteren hätten er und seine erprobten Räte - ein Blick zum
Comto Tegalliani - ein ausgefeiltes Dokument aufgesetzt, daß die
Stände ihrerseits nur noch zu siegeln bräuchten. Der Tikalen
empfing´s aus der Hoheit Hand, tat sich knapp verbeugen und zog sich
zurück, die Anderen folgten nach.
In der Hausbachschen Halle ward des Herzogs Schrift
dann verlesen, und zum Unfrieden der anwesenden Damen und Herren war´s,
einige Itzelchen unbesehen, genau das, was der Garlischgrötz bereits
zu Anfang verlangt. Zudem, daß Herr Firdon aus seinem Geschlecht
wieder zum Vogt und auch alle, die zur Kanzlei oder zum Gerichte gehörten,
wieder in ihre vormaligen Ämter bestallt werden. Da war´s ein
Toben und Zahnknirschen im Landtage und einem jeden klar wie ein sonniger
Firunstag, daß die Verhandlungen zu keinem raschen Abschluß
kommen würden.
Von einem falschen Baron und
einem rohalschen Urteil
Als die Stände und der Herzog über die
velirischen Lande im Zank lagen, wo Letzterer an seinem Anverwandten festhalten
und die Ersten ihren Verweser mit der Freiherrenkrone schmücken wollten,
trat am 21. EFF unvermittelt ein Fremder im Wappenrocke vor die Versammlung,
worauf ein Raunen durch die Reihen glitt. Der zog den Hut vor Hoheit und
Herrschaften und nannte sich Paladûr von Balther, rechtmäßiger
Prätendent auf den Velirischen Stuhl aus der direkten und unverfälschten
Linie des letzten Barons, frei von Schuld an irgendwelchen Intrigen und
Conspirationen und ergo erbberechtigt.
Da hielten die Signori den Atem an und erstaunten,
daß der hitzige Wettstreit der Worte auf diese Weise sollte beendet
werden. Doch noch ehe dem Neuankömmling allzuviel Achtung zugekommen
war, fuhr der Tikalen, der ein Nachbar und Freund des alten Barons gewesen
war, Herrn Paladûr in einer Weise an, daß ihm vor Angst und
Bange der Hut vom Kopfe fiel.
Was er sich wohl dünke, hier vor der Hoheit
und allen Ständen ein schändliches Lügenspiel zu wagen,
habe Seiner Hochgeboren Name doch auf Bandor von Balthar gelautet und keinesfalls
anders, und zudem, wo Herr Paladûr bis auf das blonde Haar nicht
die geringste Ähnlichkeit mit dem Verschollenen aufweise! Und auch
mit einigen unschönen Ausdrücken bedachte der Baron den Fremdling,
aber doch in Maßen, wie es sich in Seiner Hoheit Beisein geziemt.
Und diese, der Herzog Cusimo, sprang auf vom
hohen Stuhl und wollte gerade Rede und Antwort verlangen, da machte der
Aufschneider auf dem Absatze kehrt, nahm die Beine unter die Achseln und
entschwand durch den Tumult und ein offenstehendes Fenster ins Freie. So
hat er wohl die Rechenschaft verweigert und doch abgelegt.
Die Debatten aber gingen noch einige Tage weiter,
und kein Ende mochte in Aussicht scheinen. Da gab ein Signor aus Schradok,
ein Zwergling, Beregram, Sohn des Badatosch mit Namen, den Rat, beide Vorschläge
und auch all´ die anderen bis dahin vorgebrachten ruhen zu lassen
und zu prüfen, ob nicht der jüngste und letzte Zweig des alten
Velirischen Hauses doch frei von Schuld und Arg sei, und ob er einen rechten
Erben besäße, diesem das Lehen Veliris zur Verwaltung anzuvertrauen.
Die Verblüffung war zunächst ungeheuer, hatte doch niemand mehr
an eine solche Lösung gedacht, und waren die Fehden und Prozesse der
Velirischen alter Linie, der drauf durch Richterspruch enterbten, doch
in aller Munde gewesen. Das sei dann der Signor Ariano von Treuffenau,
sprach Baron Broderico der Münzreiche, er kenne ihn wohl und wolle
den Antrag auch stützen. So wurden die Akten erneut geprüft,
und niemand vermochte einen Makel auf den Treuffenau zu werfen, den Signor
Beregram und andere Rechtskundige und auch der Tikalen nicht zu zerstreuen
wußten. Also tat sich dann ein nues Tor auf, daß für alle
gangbar war. Und da ward´s beschlossen, am 24. EFFerd, daß
Signor ya Cantarra Reif und Siegel dem Treuffenau, alsbald Baron, übergebe.
Vom Schluß des Landtages
Und endlich, nach vier weiteren Wochen, kamen
Herzogsstuhl und Landtag überein, und die Schreiber setzten auf die
Urkunden, die zu siegeln seien. Am 27. BOR zeichnete Tikalen für die
Grangorschen Stände, darauf am 4. HES der Rat und Comto Tegalliani
für die Hoheit. Am 5. HES ward das Herzogssiegel auf die Schriftstücke
appliziert, wonach die folgenden Beschlüsse Kraft und Gültigkeit
besitzen:
1tens - Daß ein Landfrieden auf drei Götterläufe
in den Grangorer Landen herrsche.
2tens - Daß der Herzog Garlischgrötz
Graf Phecadien werde und der Comto Tegalliani, vormals Kanzler, sein Landt-Vogt.
3tens - Daß keiner denn des Signor Treuffenau
Anspruch auf die Baronie Veliris rechtens sei.
4tens - Daß die Stadt Veliris ihr eigen
Herr werde, mit allen Rechten und Pflichten.
5tens - Daß ein Gemeiner Herzogstaler in
den Grangorer Landen erhoben werde, die Kassen zu füllen.
6tens - Daß die Versorgung des Landtages
im nachhinein aus der Herzöglichen Kasse übernommen werde.
7tens - Daß die Grangorer Hofkanzlei und
das Hofgericht, wiewohl nicht aufgelöst, doch reorganisiert werden.
8tens - Daß noch über der Grangorer
Hofkanzlei und nur unter dem Herzog ein Mann oder eine Frau stehen solle,
die von den Landständen erwählt und von der Hoheit berufen werde,
und der oder die den Titel eines „Connetabels von Grangoria" trage.
9tens - Daß der Connetabel auf Wohl und
Wehe des Herzogtumes achtgebe und auch Oberst des Land-Regimentes sei.
10tens - Daß der Landtag in schwierigen
Fällen als Instanz über dem Hofgericht stehe.
11tens - Daß der Herzog der Horas den Vorschlag
der Grangorer Landstände für das Amt ihres Reichs-Cammer-Richters
überbringe.
12tens - Daß der Landtag sich nun in jedem
zweiten Götterlaufe versammle, Connetabel und Herzog guten Rat zu
erteilen.
Das sind die Beschlüsse des Landtages zu
Bomed, der am 7. HES Baron Broderico von Berlînghan-Tikalen zum Connetabel
kürte und von diesem am 8. HES verabschiedet wurde, und der bereits
jetzt in den Schriften der Schreiber und Gelehrten der „Eherne Landtag"
genannt wird.
Eine kleine Nota Bene zum Abschluß: Wem
auch immer der sechste Passus der Schlußurkunde unbedeutend erscheinen
mag, übersieht dabei die 44 Ochsen und 109 Schweine, die 5 Ox Wein
und 6 Ox Bier sowie zwei Gros Hühner und vieles mehr, was die hohen
Herrschaften verzehrt haben...
Frank Bartels
mit Beiträgen und Anregungen von:
Günter Borgschulze, Andree Hachmann,
Andrej Pfeiffer, Jörg Raddatz und Sascha Wagner.
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